Welchen Stellenwert hat Spiritualität in deinem Leben?
Suchen wir nicht alle etwas Spiritualität in unserem Alltagsleben? Etwas Heiliges, das uns über uns selbst und unsere praktischen Bedürfnisse hinausführt? Und suchen wir dabei nicht auch in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen und nach individuellen Ausdrucksformen? Mal gehen wir vielleicht sogar dabei etwas verloren, müssen unsere Richtung ändern und an neuen Orten schauen. Oder stellen fest, dass unsere alten Vorstellungen und Praktiken nicht mehr stimmig sind.
Wenn Menschen gefragt werden, ob und wie Spiritualität Teil ihres Lebens ist, bekommt man die unterschiedlichsten Antworten.
Für die Meisten bedeutet Spiritualität die Ahnung oder Vorstellung von etwas, das größer ist als wir Erdenmenschen. Der Weg dorthin kann in stillen Augenblicken gefunden werden. Eine Kerze anzünden, etwas nachdenken, ein tiefsinniges Buch lesen. Ein Gang in eine Kirche, ein Tempel, zu einem privaten Altar. Das Aufstellen von Gegenständen, die uns tief berühren und uns mit einer höheren Ebene verbinden. Oder in die Natur gehen und dort für lange Zeit ganz still sein. Vielleicht auch vorgegebenen Abläufen folgen, wie wir es aus religiösen Gemeinschaften kennen. In die Gebete und Gesänge eintauchen.
In Indien gehört Spiritualität zum Alltag
Bei meinem aktuellen Aufenthalt in Indien erlebe ich laute, bunte Riten und Prozessionen in den hinduistischen Tempeln. Menschenmassen, die sich durch die Eingangstore pressen. Ein buntes Marktleben auch in den Tempeln – es werden frisch gebundene Blumengirlanden, Lampenöl, religiöse Gegenstände, aber auch Essen und Getränke verkauft. Zwischendrin legt sich jemand zum Schlafen hin oder ganze Familien machen ein Picknick und die üblichen Selfies auf dem Tempelgelände. Dieser ganze Trubel ist durchaus faszinierend, aber für stille Gebete und Kontemplation eher nicht geeignet. Zumindest nicht in unserer Vorstellung. Vielleicht ist aber das „Erhabene“ durch die vielen Lichter, Gesänge, Blumen, Glöckchen und Trommeln das Entscheidende. Der feste Glauben an die Wirkung der Götterfiguren, bestimmter Blumen oder Mantren. Das Empfangen eines „Darshans“ – eines Segens in Form von bunten Zeichen auf der Stirn, der von geweihten Personen im Namen eines bestimmten heiligen Wesens gegeben werden.
So definieren wir die heilige oder göttliche Ebene wohl alle etwas unterschiedlich. Hier in Indien ist Spiritualität alltäglich und noch stark in jahrhundertealten Riten und großen Gemeinschaften eingebunden, in Europa findet sie zunehmend in individueller Form statt. Oft etwas suchend, da für die meisten von uns die klassische Religionsgemeinschaft verloren gegangen ist und Spiritualität keine Rolle mehr im Alltag spielt. So definiert jede für sich etwas Neues, was hoffentlich über die Zeit einen soliden Boden bekommt.
Die Nabelschnur zum göttlichen Mutterkuchen
Ich möchte mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, was andere spirituell finden, was ihnen genügt oder was schon „zu viel“ sein mag. Lieber spreche ich von unserer ureigenen Verbindung zu einer spirituellen Dimension. Zu unserem Urgrund. Denn „Glaube ist ein Mysterium“ wie es die ehemalige katholische Ordensfrau Majella Lenzen im Interview in meinem Buch „Herzen berühren“ sagt. Ich kann nur ahnen, was für mich entscheidend ist.
In ihrem Blog beschreibt Helga Fischer die Verbindung zur göttlichen Urquelle ganz plastisch als „die Nabelschnur zum göttlichen Mutterkuchen“. Und wie sie persönlich immer wieder achtgeben muss, diese Nabelschnur zu spüren und auf die Zeichen oder Aufforderungen zu achten, die sich daraus ergeben.
Spirituelle Wegzeichen mit möglichen Konsequenzen
Vielleicht ist dieses feine Hineinspüren oder Hinhorchen auch etwas, was wir dringend für eine neue Zeitepoche brauchen, in der es schon längst um so viel mehr geht, als materielle Gegenstände anzuhäufen und für irdische Sicherheiten zu sorgen.
Dabei wissend, dass eine tiefe Spiritualität im alltäglichen Leben Konsequenzen haben kann. Nicht immer nur leichte oder angenehme. „Man bekennt seinen Glauben nicht, indem man einen überlieferten Text spricht. Bekennen ist ein Wort aus Gefahrenbereichen. Es richtet sich gegen etwas, es tritt ein für etwas, es kostet etwas.“, so drückt es der Theologe Fulbert Steffensky aus.
Das Gewahrwerden einer anderen Ebene öffnet Türen, Tore, lädt eine Herausforderung ein, von der wir nicht wissen, ob wir mutig oder stark genug dafür sein werden. Ob es gar unser gewohntes Leben kosten wird. Irgendwann. Wenn ein Ruf immer stärker wird.
Auf jeden Fall kann die spirituelle „Nabelschnur“ eine Korrekturinstanz in unserem Leben sein, indem wir die Stimme der Seele hoffentlich immer besser hören können. In diesem Gedicht habe ich versucht, meine persönliche Erfahrung damit zu beschreiben:
Wollen wir uns über Spiritualität und andere Themen austauschen?
In den monatlichen Lichtkreis-Gruppen (online) oder in meinen Seminaren (in Augsburg, Berlin, Luzern, Saarbrücken, online) hast du die Gelegenheit dazu. Hier findest du mehr Informationen zu mir und meiner therapeutischen Arbeit. Aktuell ist im LebensGut Verlag mein Buch „Herzen berühren – Sehnsucht nach tiefen Begegnungen“ erschienen.
Über Vera Bartholomay
Vera Bartholomay ist Autorin, Seminarleiterin und Therapeutin mit Themen wie persönliche Entwicklung und ganzheitliche Körperarbeit. In ihrer Arbeit und Büchern „Heilsame Berührung – Therapeutic Touch“ und „Projekt Sehnsucht. Ein Mutmachbuch für alle, die von der Selbstständigkeit träumen“ geht es um die energetische Körpertherapie „Heilsame Berührung“, um persönliche und berufliche Herzensthemen.
Ihre Seminare finden in Deutschland und in der Schweiz statt. Die gebürtige Norwegerin lebt heute in Norwegen und Deutschland.
Liebe Vera,
2018 bin ich zum Darshan der Inderin Amma in München gegangen, obwohl ich damals keinerlei Bezug zu Spiritualität und schon gar nicht zur indischen hatte. Dort angekommen, fand ich die Menschenmassen und die Organisation ziemlich stressig, alles war durchgetaktet, laut und heiß. Während des Darshans bin ich auf einem Stuhl sitzend umgeben von tausenden von Menschen und lauter Musik eingeschlafen, was für mich sehr ungewöhnlich war. Nach der Umarmung von Amma auf der Bühne, war ich erst einmal froh, das Gebäude und die Menschenmassen verlassen zu können. Noch am Veranstaltungsort vor dem Gebäude habe ich ohne zu zögern einen Anruf getätigt, der mein Leben seither wesentlich verändert hat.
Liebe Andrea! Manchmal geschehen Dinge anders als wir erwarten – und dennoch genau richtig für uns. Herzlichst, Vera
Liebe Vera,
dein Gedicht ist einfach wunderbar. Ich lese es wieder und wieder und es wirkt immer tiefer. Ich weiß, dass es zutiefst wahr ist, was du beschreibst. So schön.
Herzlichst, Helga
Liebe Helga, das freut mich sehr! Herzlichst, Vera