Perfektionismus macht Dich nicht glücklich!

Gastblog von Verena Wagner

Es gibt keine perfekten Menschen. Doch es gibt Personen, die führen uns ihren perfekten Körper vor, damit wir denken, sie seien es. Alles Humbug! Warum Perfektionismus nicht glücklich macht? Jeder von uns hat eine Um-Welt. Diese beeinflusst entscheidend, was wir gut und erstrebenswert finden. Wie eine Radiostation sendet sie andauernd Impulse aus dem Orbit: Zieh das an, kauf dir neue Kleidung, du bist zu dick, ohne Cardio-Training wird das nichts, dein Bauch wölbt sich, ich mache jetzt Aerial Yoga, du hast ja schon graue Haare, probier doch mal vegan zu essen, nein, wir sind jetzt paleo… Diese Liste kann jeder für sich fortsetzen oder verändern. Mitunter ist es schwierig, all diese Meinungen, Trends und Hypes von uns fernzuhalten.

Körper-Geduld statt Körperkult

Ich lasse mich so leicht anstecken. Weniger von neuen Trends, als von der unterschwelligen Haltung, dass nur ein schlanker, durchtrainierter Körper perfekt und ästhetisch ist. Ich bin weder dick noch wirklich unglücklich mit meiner Figur. Ich denke jedoch seit meiner Teenagerzeit, dass ein paar Kilo weniger nicht schaden würden.

yoga-entspannung-achtsamkeit

Dass mein Körper mittlerweile zwei Geburten geleistet hat, rechne ich ihm hoch an. Ich teile ihm das hin und wieder auch liebevoll mit. Mein Bauch wurde in der Zwillingsschwangerschaft ordentlich gedehnt, deshalb rechne ich nicht mehr mit einem Sixpack. Dennoch übe ich so oft wie möglich Yoga und mache gelegentlich Bauchmuskeltraining.

Perfektionismus abzulegen heißt nicht, gar nichts mehr für seinen Körper zu tun. Gerade beim Yoga merke ich sehr deutlich: Der Weg ist das Ziel. Wenn ich übe, ruhe ich in mir. Ich atme tief durch und schüttle ab, was mich belastet. Das ist wundervoll. Und ja, es stimmt: Mein Körper ist mein Tempel, den ich pflegen möchte. Mehr noch: Ich bin verantwortlich für die Erhaltung meines Körpers, denn ich lebe in ihm und dank ihm.

Lebensdesign – kann das funktionieren?

Genauso geht es mir mit dem Versuch perfekt zu sein in Bezug auf mein Verhalten. Nur empfinde ich es viel, viel schwieriger, hier dasselbe Bewusstsein zu entwickeln, das ich in Bezug auf Körperkult und –Zufriedenheit erlangt habe. Meine unbewussten Lebensmuster sind eine harte Nuss.

Oft mache ich meinem Umfeld und mir enormen Stress durch meinen Perfektionismus. Alles wird durchgeplant und organisiert. Für die Kinder organisiere ich manchmal so viele tolle Events und Aktivitäten, dass ich am Ende selbst merke: Ein Mittelmaß an Programm wäre ausreichend gewesen. Deshalb stört mich auch der Begriff Lifestyle Design. Ganz kurz gesagt, geht es hierbei darum, seine Ziele festzulegen und sein Leben ganz danach auszurichten. Die Maxime ist, genau so viel Geld zu verdienen, wie man für den erträumten Lebensstil benötigt.

Ich halte es jedoch für unmöglich, sein Leben komplett selbst zu designen. Da gibt es einfach noch ein paar große Unbekannte, die ihre Hand im Spiel haben. Und immer wenn ich zu viel designe, kommen diese Faktoren ins Spiel und machen einen dicken, fetten Strich durch meine Rechnung. Dazu zählen Krankheit, unvorhergesehene Ereignisse und Treffen und: Gevatter Zufall.

Ohne Plan mehr echtes Leben

Gerade lerne ich viel über die indische Göttin Kali Ma. Sie wird oft als Zerstörerin, als die Dunkle, die Geheimnisvolle und die Schreckliche dargestellt. Doch so furchterregend ist sie gar nicht. Denn sie repräsentiert neben der destruktiven Seite weiblicher Energie vorwiegend Transformation, Metamorphose und Wandel. Indem sie alles niederreißt, was uns belastet – verkommene Strukturen wie tradierte Muster – schafft sie den Raum, um etwas zu verändern.

Und genau das führt Kali Ma meiner und mir unbewussten Affirmation „Ich will mein Leben perfekt gestalten“ vor Augen. Mir wird bewusst, dass das Planen und Designen meiner Tages- und Wochenabläufe, und damit meines Lebens, keinen Raum für Kreation und schöpferische Energien mehr lässt.

Meine neue und bewusste Affirmation heißt daher: Mach doch einfach mal gar nichts, leg die Beine hoch und warte, was der Monat so bringt. Und wenn ich das schaffe, entstehen neue Freundschaften aus zufälligen Treffen und andere wunderbare Projekte. Diese könnte man sich durch Vorausplanung gar nicht ausdenken. Denn sie entstehen aus der Energie mehrerer Menschen und ihrem Zusammentreffen. Genauso ist es in der Familie: Wenn ich meine Planerei zurücknehme, kommen Ideen von den anderen. Sie gewinnen Raum und bereichern mein Leben.

Perfektionismus in der Mutterrolle

Es gibt keine perfekten Mütter. Auch das sieht immer nur so aus. Ich habe das längst aufgegeben. Ich entschuldige mich bei meinen Kindern, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Ich versuche, mir ruhig ihre Sicht der Dinge anzuhören und mich in sie hineinzuversetzen. Und ich bemühe mich nicht zu schreien.

Schwieriger ist es, meine verschiedenen Rollen unter einen Hut zu bringen. Mutter, Partnerin, Journalistin, Freundin, Familienmanagerin, Tochter und Enkelin, Yogini, Bloggerin, Schriftstellerin, Malerin, Gärtnerin. Es geht nicht. Ich bringe das einfach nicht unter einen Hut! Stattdessen bin ich mal besser in einer Sache und lasse dafür etwas anderes schleifen.

Mehr dazu, wie ich mit diesem Thema umgehe, könnt ihr auf meinem Blog Mami Rocks lesen.

Herzlichst, Verena Wagner

Über die Autorin

Verena Wagner, Mami Rocks

Fotografin: Miriam Mehlman

Verena Wagner ist Journalistin und publiziert Fachartikel in Print und Online-Magazinen zu Themen wie Nachhaltigkeit, Food & Ernährung, Tourismus & Reisen, Mamaleben & Kinder, Persönlichkeitsentwicklung, Achtsamkeit & Yoga. Gerade schreibt sie an ihrem Kinderwanderführer für Tirol, der im Frühjahr 2021 erscheint. Auf ihrem Naturblog mamirocks.com veröffentlicht sie regelmäßig Texte zu ihrem naturverbundenen Familienleben in Innsbruck und über ihren Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz. In ihrer Freizeit schreibt sie Geschichten für Kinder und Erwachsene, bemalt bunte Leinwände und findet Entspannung in den Bergwäldern, aber auch in ihrem wilden Garten.

1 Gedanke zu „Perfektionismus macht Dich nicht glücklich!“

Schreibe einen Kommentar