Gastblog von Patrick Loschnat
Ist es das? Ist es wirklich OK, emotional zu sein? Man sollte meinen, dass es das in unserem Zeitalter bereits sei, aber dennoch haben sehr viele Menschen, vorwiegend Männer, damit ihre Schwierigkeiten. Ich selbst habe als Mann über Jahre meine eigenen Emotionen unterdrückt. Ich wollte nicht fühlen, ich wollte nicht spüren, was in mir los war. Vielleicht aus Angst vor dem, was dort hätte liegen können. Doch selbst die Angst konnte ich nicht spüren.
Wozu sollte ich denn überhaupt fühlen? Was geben mir Gefühle? Was, wenn man wie so oft, nur die negative Seite der Gefühle kennenlernt. Was gibt dem Gefühl einen Sinn?
Ich war außen kalt, obwohl innen doch so bunt und so groß in meiner Gefühlswelt. Ich bin sensibel und das als Mann. Das ist auch keine Seltenheit, nur so jemand gibt sich seltener zu erkennen. Sensibilität hat oft zur Folge, dass wir Schutz suchen vor dem, was uns verletzten könnte. Es heißt nicht umsonst: ,,Harte Schale, weicher Kern“.
Alle Emotionen sind in Ordnung – auch für Männer!
Tränen zuzulassen, ist für einen Mann vielleicht das Schwierigste. Viele denken dabei an die üblichen Glaubenssätze wie ,,Ein Mann weint nicht.’’, doch mir sind diese wenig geläufig oder nie bewusst gewesen. Für mich lag das Problem an einer ganz anderen Stelle.
Ich hatte persönlich wenig Bezug zu meinem Vater. Wir lebten im klassischen Rollenbild: Vater geht arbeiten und ist damit wenig anwesend und Mutter kümmert sich um die Kinder. Ich hatte nie einen Bezug zur männlichen Seite. Wie sollte denn ein Mann sein oder wie fühlt sich ein Mann?
Fragen, auf die ich keinerlei Antwort hatte. Doch ich glaube, dass die Gesellschaft sich auch heute damit noch schwertut. Die einzige Emotion, die ich Zuhause erlebt habe, die wirklich ausgelebt wurde, war Wut. Wut auf andere Menschen, die einem selbst das Leben schwerer machen und die Schuld daran tragen.
Von Trauer oder gar Tränen
Ich habe meinen Vater bis dato zweimal in meinem Leben emotional erlebt. Als er mir sagen musste, dass meine Tante gerade eben an einem Schlaganfall verstorben sei und auf der Beerdigung seines eigenen Vaters.
Viele Generationen von Männern sind wenig mit Emotionen in Berührung gekommen, obwohl auch Männer emotionale Wesen sind. Ich denke, dass die Aufgabe vieler Männer auch heute noch ist, einfach zu funktionieren. Emotionen haben da keinen Platz. Emotionen stören das System. Emotionen legen es im schlimmsten Falle lahm. Wir erleben heute mehr denn je psychische Erkrankungen speziell bei Männern gerade wegen dieser Themen und der Distanz zu ihren eigenen Emotionen.
Tränen zu zeigen fällt nicht leicht, denn sie zeigen Verletzlichkeit. Doch wie sieht es aus mit anderen Emotionen?
Nimm Deine Wut an
Wie ich bereits erwähnte, war Wut ein großes Thema. Wut war in meiner Welt das einzige, das ich ausdrücken konnte. Gefühle wie Freude und Trauer wollte ich mir nicht von meinem Umfeld nehmen lassen, also nahm ich sie mir selbst.
Wut war Verteidigung. Wut war ich.
Wir wünschen uns emotionale Männer, sind aber nicht in der Lage alle Emotionen anzunehmen. Sie wollte meine Tränen, aber nicht das, was gerade da war, oder das, was ich gerade ausdrücken konnte. Es zählte nicht, was ich gerade fühlte, sondern das, was sie mir erlaubte, zu fühlen.
Wir haben Angst vor Wut, weil sie mit einem Angriff gleichgesetzt wird. Tränen hingehen wecken das Gefühl, zu trösten. Aber wo ist der Unterschied, wenn wir verstehen, dass jede Emotion wichtig ist und hinter der Wut noch so viele andere Emotionen stecken. Wenn wir uns für die Emotion öffnen, die vor uns liegt, die wir gerade fühlen, können wir uns auch für alle anderen öffnen und auch Tränen zulassen.
Hinter Wut steckt so viel Schmerz, Trauer, Verzweiflung und Machtlosigkeit, an die wir nie herankommen, wenn wir uns nicht für die Emotionen öffnen, die ein Mann gerade fühlt.
Ich möchte an dieser Stelle mit Dir dieses intime Video aus meiner damaligen Situation teilen. Hinter Wut steckt mehr, als man denkt.
Was können wir tun gegen die Wut? Nimm sie an. Nimm diese Emotion an. Die Deines Gegenübers und Du nimmst diesen Menschen an. Du gibst ihm das Gefühl gesehen zu werden, Vertrauen zu haben, woraufhin er sich öffnen kann, wenn er möchte. Gefühle wirken in uns. Sie gehören zu uns, auch wenn wir sie auf andere projizieren. Wenn jemand emotional wird, dann geht es nicht dabei um Dich, sondern immer um denjenigen selbst. Wenn wir in der Lage sind, dies anzunehmen, gewinnen wir ein Mehr zwischen Mann und Frau.
Die Emotionalität zwischen Mann und Frau
Eigentlich geht es hier um die Emotionalität des Mannes, aber ohne das Gegenstück der Frau, verstehen wir das große Ganze nicht.
Beide, Mann und Frau, fühlen, aber wir fühlen anders. Jeder Mensch hat eine andere Gefühlswelt und doch glauben wir, dass wir die gleiche Welt sehen, wenn wir nach draußen blicken.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Frau weiterentwickelt. Sie interessiert sich mehr und mehr für Persönlichkeitsentwicklung und speziell Spiritualität, doch auf der anderen Seite steht diese tiefe Sehnsucht nach dieser Verbundenheit zum anderen Geschlecht, welche nicht da ist.
Wir haben in den vergangenen Jahren versucht, Mann und Frau gleichzumachen, wodurch wir den Mann verloren haben. Warum interessiert sich ein Mann weniger für Spiritualität als eine Frau? Kannst Du Dir vorstellen, wie ein Mann in einem leichten Sommerkleid durch die Felder tänzelt? Ich mir auch weniger.
Das soll in keinster Form abwertend sein, aber wie so oft wird dieses Bild geformt. Wenn ich die Spiritualität der Frau verbildlichen würde, wäre sie eine Tänzerin, die sich dem Leben und vielleicht sogar dem Mann hingibt und bereit ist zu empfangen. Doch die andere Seite fehlt.
Der Mann als emotionaler Krieger von heute
Die Spiritualität von heute spricht den Mann nicht an, weil er sich damit nicht identifizieren kann. Ich möchte mit Dir ein Video teilen, welches für mich eine der männlichsten Erfahrungen versinnbildlicht, die ich je erleben durfte.
Für mich ist das spirituelle Bild des Mannes ein Krieger. Natürlich brauchen wir ihn nicht mehr in seiner physischen Form. Keinen, der wirklich in den Krieg zieht, doch in seiner spirituellen Form.
Wenn Du eine Frau bist, frage Dich, wie ein Krieger sich anfühlen würde? Eine starke Schulter, ein Unterstützer, jemand bei dem Du Dich sicher und geborgen fühlst und dem Du vertrauen kannst?
Wenn Du ein Mann bist, fühlst Du diese Tiefe in der Männlichkeit? Wie fühlt es sich an, diese Kraft, diese Stärke und Verbundenheit zu fühlen?
Spiritualität sieht für beide Geschlechter anders aus und sollte auch anders behandelt werden. Wir sehnen uns nach der männlichen Energie, die doch aber so oft in der Vergangenheit abgewertet wurde, weil sie als unterdrückend wahrgenommen wurde. Sie kann aber auch das Gegenteil erzeugen und die Frau von heute unterstützen und ihr ein Gefühl von Sicherheit geben.
Geben wir den Männern, ihrem Sein, ihre Gefühle wieder Aufmerksamkeit, ohne vorschnell zu urteilen und unsere Gefühlswelt auf diese zu projizieren, gewinnen beide. Mann wie Frau.
Über den Autor dieses Gastbeitrags über Wut und andere Emotionen
Patrick Loschnat arbeitet als Beziehungscoach und Polarity Coach. Polarity ist eine natürliche und ganzheitliche Behandlungsmethode für Menschen, die ganz bewusst Veränderungen in ihrem Leben in Gang setzen möchten. Beim Polarity Verband Deutschland findest du mehr Informationen über diese Heilmethode sowie Informationen zu Regionalgruppen und Therapeut*innen.
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