SL: Ich habe bei der Lektüre Ihres Buches „Magdalia und die Gnome“ den Eindruck gewonnen, dass die Welt von Magdalia, das ist die Heldin des Buches, zeitlos erscheint. Es gibt natürlich einen konkreten Bezug zur Gegenwart, und zwar durch die Abholzung des Waldes durch Menschen, in denen Magdalia und die Gnome leben. Es ist da von großen, lauten Maschinen die Rede usw. Also man erkennt sofort, dass die Geschichte nicht vor Hunderten von Jahren spielt, sondern in einer Zeit, in der es solches technisches Gerät gibt. Insgesamt aber wirken beide Welten, beide Sphären, für mich nur locker miteinander verbunden. Die moderne Welt wirkt auf mich weit weg, wenn man die Geschichte liest. Liege ich mit dem Eindruck richtig?
SB: Mir war es wichtig, diesen Bezug herzustellen, dass es wichtig ist, den Wald und die Natur zu erhalten. Zu zeigen, dass wir ohne die Natur einfach auch nicht existieren können. Wir brauchen mehr Grün, gerade auch in den Städten. Die Städte heizen sich in den Sommern immer mehr auf. Und ja, die heile Welt von Magdalia, das ist auch ein Sehnsuchtsort von mir. Wo ich mir dann manchmal wünschte, dieses kleine Häuschen am Rande des Waldes zu haben und dort leben und werkeln zu können und nur noch in meinem kleinen Garten zu sein. Aber es ist auch schön, da wieder rauszukommen und in die große Welt zu gehen.
SL: Die Zusammenarbeit mit Menschen in ihren Workshops hat sie ja, davon gehe ich mal aus, unter anderem auch dazu inspiriert, Märchen zu schreiben und speziell das Märchen von Magdalia und den Gnomen. Lassen Sie uns bitte daran teilhaben.
Wie genau ist das Kräutermärchen „Magdalia und die Gnome“ entstanden?
SB: Es ist ein bisschen eine verrückte Geschichte. Ich hatte angefangen, wieder kleine Geschichten zu schreiben und suchte eigentlich einen Waldbezug, aber irgendwie wollte mir das nicht gelingen. Und dann bin ich in meinem Kopf irgendwie im Wald unterwegs gewesen. Ja und dann saßen da die Gnome und haben mir die Geschichte erzählt. Es klingt ein bisschen verrückt, aber es ist so. Ich habe dann halt da gesessen, zwischen denen und, aufgeschrieben, was da um mich herum passiert ist in der Zeit. So hat sich die Geschichte entwickelt. Am Anfang habe ich nicht gewusst, wo es hingeht und wie es endet. Im Laufe des Schreibens war dann klar, da muss es hingehen, so wird das Ende sein. Das hat schon auch viel mit meinem Leben zu tun.
Also die Kräuterfreundinnen, die gibt es tatsächlich, also im Kreis der Zwölf. Die Frauen, mit denen ich zusammen gelernt habe.
SL: Neben der Kräuterfrau Magdalia spielen die Gnome des Waldes eine wichtige Rolle. Weshalb? Was macht diese Wesen aus und welche Wesen hätten es eventuell auch werden können?
SB: Es hätten sicherlich auch Feen oder Elfen werden können, aber bei mir saß der Gnom da am Wegesrand. Ich kann es nicht anders erklären. Kobolde, ja vielleicht auch. Der Wald ist ja voller Wesen. Wenn ich durch den Wald gehe, sehe ich immer mal ein Loch im Moos oder in einem Stamm, wo ich dann denke, da könnte irgendwer wohnen. Oder an einem schönen geformten Baum oder so, da sehe ich schon manchmal Figuren und Waldwesen.
SL: Würden Sie für uns bitte kurz die Geschichte skizzieren, also einen kleinen Einblick geben, um unsere Zuhörer dazu anzuregen, sich näher mit dem Buch zu beschäftigen?
Worum geht es genau bei „Magdalia und die Gnome?“
SB: Die Kräuterfrau Magdalia wohnt, wie schon erwähnt, am Rande des Waldes, lebt da allein mit ihren beiden Katzen und versorgt sich mit den Dingen selber, die sie so braucht. Und in ihrem Garten fehlt dann plötzlich öfter irgendwelches Gemüse und sie macht sich Sorgen, ob es im Winter für sie selber reichen wird, obwohl sie eigentlich eine sehr großzügige Person ist. Dann findet sie heraus, dass es Gnome sind, die ihren Garten plündern. Denn der Gnom Rollo steht vor ihrer Tür steht und gesteht, dass er sie bestohlen und sich bei seinem Beutezug verletzt hat. Er bittet darum, dass sie ihm hilft, seine Verletzung zu kurieren. Im Gespräch findet Magdalia heraus, dass der Lebensraum der Gnome bedroht ist durch die Rodungen, die da passieren. Und sie bietet ihre Hilfe an. Das gestaltet sich dann ein bisschen schwierig, denn der Vater und die Schwester sind nicht so begeistert von der Hilfe, die Magdalia anbietet. Sie würde gern ihr Kräuterwissen mit den Gnomen teilen. Und das tut sie auch. So entsteht so etwas wie eine Freundschaft. Und ja, ob sie auch den Wald retten kann, das müssen wir noch rausfinden.
SL: Ja, das finde ich auch gut. Selbst wenn die Geschichte keine endgültige Antwort darauf geben würde. Ihr Antrieb ist, die Menschen wieder mit der Natur bekannt zu machen. Es braucht ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander zwischen Mensch und Natur. Es liegt am Ende an uns, den Lesenden, dass es ein Hapyy End gibt.
Was ist die Message von Magdalia und die Gnome?
SB: Geht raus und seid neugierig. Seid neugierig auf das, was da draußen grünt und blüht und wächst und lebt. Wer aufmerksam durch die Welt geht und mal guckt, ob so ein grünes Grasbüschel vielleicht nicht doch nur ein Grasbüschel, sondern ein heilkräftiger Spitzwegerich ist. Und dass ja, wer das einmal gesehen hat, das auch wiedererkennt und sich merkt, wie eine Pflanze wirkt. Aber die Entscheidung kann erst fällen, wer sich auskennt. Ich möchte den Blick auf die Natur wecken und schärfen.
SL: So, dann will ich jetzt noch zu den zwei ganz großen Fragen der Literatur kommen und vielleicht noch zwei ganz kleinen persönlichen, aber alles locker. Ein Ziel von Literatur kann und soll es sein, die Lesenden zu inspirieren und auch zum Handeln anzuregen. Das lässt sich wunderbar in Ihren Statements, in Ihren Texten, aber auch in Ihrer Arbeit als Kräuterpädagogin auf ihrer Homepage finden. Welche Wirkung kann Ihrer Meinung nach das geschriebene Wort entfalten? Können Bücher die Welt verändern?
Können Bücher die Welt zu einem besseren Ort machen?
SB: Die Hoffnung habe ich. Wenn man auf die Dinge, auf die Umwelt, auf Missstände, auf Dinge, die man bewegen kann aufmerksam macht. Wenn man von mutigen Menschen, von mutigen Frauen liest, die Sachen verändert haben, die inspirieren. Wer Bücher liest, unternimmt Reisen im Kopf, die niemand anders so führen kann. Bei jedem entwickelt sich ein anderes Bild von einer Geschichte. Und ich glaube, dass das geschriebene Wort Menschen dazu bewegen kann, ihre Denkweise und ihre Sichtweise auf die Welt, auf das nahe oder weitere Umfeld zu verändern.
SL: Das ist ja schön. Es gibt ja anscheinend mehr oder weniger zwei Pole in dieser Frage. Also entweder man denkt wie sie und übrigens auch ich, dass es möglich ist, oder aber man hält es nicht für möglich. Dazwischen scheint es gar nichts zu geben. Also ich bin da mit Ihnen absolut d’accord. Bücher können die Welt verändern, wenn wir uns nur öffnen. Als ich Ihre Geschichte gelesen habe, kam mir relativ bald auch in Bezug auf diese letzte Frage, die wir diskutiert haben, noch eine Frage in den Sinn. Sind es eher die ganz großen Handlungen und Gesten, die entscheidend sind, oder doch eher die kleinen alltäglichen Gesten der Zuneigung, der Liebe, der Freundschaft?
Oder zum Einkaufen einen Korb und keinen Plastikbeutel nehmen, das sind die kleinen Dinge, die mensch machen kann. Natürlich braucht es die großen Veränderungen in der Politik, um etwas zu verändern. Aber jeder für sich kann schon ganz viele kleine Dinge bewegen im Umgang mit den Mitmenschen und der Umwelt. Ein Lächeln und freundliches Wort kostet nichts. Das ist immer so, wo ich denke, das kann schon ganz viel bewegen, wenn wir in dieser verrückten und harten und rauen Zeit einander einfach mal wieder ein Lächeln schenken. Und ein schönes Wort. Ja, das wünsche ich mir.
SL: Das finde ich sehr ansprechend. Was mich an diesen Diskussionen „Was können wir im Großen und wie im Kleinen tun“ oft stört. Es ist ja so, man spricht irgendeinen Punkt an, irgendeinen Bereich in der Wirtschaft oder im menschlichen Leben und dann kommt immer sofort die Antwort „Ja, aber unser Bereich ist nur für 0,2 % des CO2 Ausstoß von Deutschland verantwortlich“ oder „2 %, die anderen noch viel mehr“. So nach dem Motto „Wir sind nur ein kleines Vieh“, aber wenn man diese ganze Herde von klein zu klein zusammentreibt, dann ist glaube ich der Mist, den die einzelnen kleinen Viecher hinterlassen, doch ziemlich beachtlich.
Sie haben jetzt einen Wunsch frei. Was würden Sie sich wünschen?
SB: Ich weiß nicht, ob ich das wirklich nur in einem Satz hinbekomme. In einem Wort kann ich es, glaube ich, nicht festmachen. Ich wünsche mir wirklich, dass dieser Wahnsinn da draußen aufhört, den Menschen einander antun, gerade in dieser Welt. Dass Menschen losgehen, einander umbringen, dass Leute im Großen und im Kleinen einfach in der Welt oder in der Familie sich sich Leid antun. Das würde ich mir wirklich wünschen. Das kann man vielleicht einfach mit dem Wort Frieden betiteln. Ja, das würde ich mir wünschen, dass Frieden und Liebe wieder kommen und nicht mehr dieser Wahnsinn. Dann würde sicherlich vieles von alleine besser werden. Ich glaube, Menschen, die freundlich miteinander umgehen oder im Herzen Liebe tragen, machen auch die Umwelt nicht so kaputt und sind nicht nur auf Gier und Geld fixiert.
SL: Ja, es ist ein sehr schöner Wunsch und ich denke, ich kann Ihnen stellvertretend für alle Danke sagen. Man kann hoffen, dass er in Erfüllung geht. Frau Bienemann, haben Sie vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit für dieses wunderbare Gespräch genommen haben. Es hat mich sehr gefreut und vielleicht sind Sie mit Band 2 von „Magdalia und die Gnome“ demnächst mal wieder beim Literaturradio zu hören.
SB: Vielen Dank.
Auszug aus einem Inteview vom 9.12.2022. Das ganze Gespräch von Sonja Bienemann und Steven Lundström findet sich hier im Literaturradio Hörbahn.
Über Sonja Bienemann
Sonja Bienemann ist ausgebildete Kräuterpädagogin und Wechseljahreberaterin und verfügt über die Fortbildung „Grüne Hausapotheke“. Mit ihren Kräutermärchen und Geschichten möchte sie ihr Wissen an Kinder und Erwachsene weitergeben, um so den Blick für die Kräfte der Natur zu schärfen. Auch der Umweltschutz ist ihr ein großes Anliegen.