Vom Leben wachgerüttelt: Andrea Erhard ist ihrer Intuition in ihr Urvertrauen gefolgt, um bewusster leben zu lernen. Sie hat ihr altes Leben, das sie nicht glücklich machte, einfach aufgegeben und in einem anderen Land ein neues, viel bewussteres und spirituelles Leben begonnen. In diesem Gastbeitrag erzählt sie uns davon, was sie wachgerüttelt hat und wie oft sie neuanfangen musste und immer noch neu anfängt, um ihr Leben Stück für Stück bewusst zu leben.
Ich bin davon überzeugt, dass alles was wir in unserem kleinen und großen Umfeld erleben, dazu dient uns wach zu rütteln. Es ist das Urvertrauen selbst, das uns wachzurütteln versucht. Auch wenn unsere Intuition verkümmert und fast erstickt sein mag, schlummert sie doch tief in uns.
Nachdem wir als Babies oftmals stundenlang schlaflos geschrien haben, resignierten wir, schliefen ein und schlafen bis heute, wenn wir nicht gestorben oder erwacht sind. Denn nicht jeder und jedem wurde eine liebevolle und zugewandte Geburt und Kindheit zu teil. In früheren Generationen war das eher die Ausnahme und eine autoritäre Kindererziehung mit Liebesentzug und leider oft auch emotionaler und sogar körperlicher Gewalt die Regel.
Meiner Meinung nach verbringt der Großteil der Menschen das ganze Leben schlafend, in Resignation, im Freeze-Modus. Wir könnten es auch bewusstlos oder in einem Leben ohne Bewusstsein nennen. Das liegt an unserer Trennung von uns selbst, von unserem inneren Kern. Die Trennung fand erstmalig bei unserer Geburt statt, die in unserer modernen Gesellschaft sehr radikal durchgeführt wird.
Frühgeburt: Bonding und frühe Bindung nach der Geburt
Im Tierreich, aber auch bei Naturvölkern können wir beobachten, dass dieser Prozess der Abnabelung ganz sanft und kontinuierlich vor sich geht. Säugetiere haben nach der Geburt permanent Körperkontakt zur Mutter oder zu den Wurfgeschwistern. Die ersten Monate sind sozusagen eine Fortsetzung der Schwangerschaft außerhalb des Körpers, das sieht man besonders eindrücklich bei Känguruhs.
Jetzt wird mir auch klar, warum ein Babysitter im Spanischen als „canguru“ bezeichnet wird. Im Laufe der Evolution wurde das Gehirn des Menschen und damit der Kopf immer größer, zu groß für den Geburtskanal. Als Folge verkürzte sich die Schwangerschaft. Der menschliche Säugling wird also grundsätzlich als Frühgeburt geboren, völlig hilflos, wie ein Känguruh. Daher ist der Zeitraum bis das Kind krabbeln lernt – etwa neun Monate – in der Tat die Fortsetzung der Schwangerschaft. Die unbewusste Erwartung des Säuglings ist daher, dass es so lange in einem Sack am Körper getragen wird, bis es von allein heraushüpft und jederzeit wieder zurückkommen kann.
Daher ist das sogenannte Bonding, die emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind. Dazu gehört Ruhe, viel Zeit miteinander und gegenseitiges Kennenlernen ebenso wie das körpernahe Kuscheln von Säugling und Mutter mit viel nackter Haut und einer Extraportion Nähe. Die erste Zeit nach der Geburt gehört ganz alleine dem neugeborenen Baby und seinen Eltern. In dieser sensiblen Phase legen die Eltern den Grundstein für eine starke Bindung – oder eben auch nicht.
In diesem Gastbeitrag liest du mehr über frühkindliche Bindung und wie sie bereits während der Schwangerschaft im Mutterleib mit dem Ungeborenen aufgebaut werden kann.
Irgendwas fehlt immer: von seinem Selbst getrennt sein
Wir befinden uns oft an den schönsten Stränden und Naturschauplätzen der Welt, können die Schönheit der Natur aber oft gar nicht wahrnehmen. Wir fühlen uns fehl am Platz und wissen irgendwie gar nicht, was wir dort sollen. Irgendetwas fehlt, es fühlt sich leer und sinnlos an. Kennst du dieses Gefühl?
Je nachdem wie stark der eine oder andere von seinem Selbst getrennt ist und wie sehr er von den Ereignissen im Außen herausgefordert wird, reicht es aus für ein Erwachen aus diesem Dauer-Schlafzustand oder eben nicht.
„Man kann ans andere Ende der Welt gehen, die eigenen Gefühle nimmt man immer mit.“
Andrea Erhard hat ihr altes Leben, das sie nicht glücklich machte, einfach aufgegeben und in einem anderen Land neu begonnen.
Diese Prämisse ist nur eine von vielen Selbsterkenntnissen, die die Autorin Andrea Erhard in ihrem schriftstellerischen Debüt festgehalten hat. Im ersten Corona-Jahr 2020 zog die studierte Kulturwirtin samt Lebensgefährten, Hund und Laptop aus München ins ländliche Mittelitalien, um mit knapp 40 jenseits der Alpen noch mal neu anzufangen. Quasi arbeitslos, fernab des überreizten Alltags im hippen Münchner Medienbusiness, läuft bei Andrea Erhard bald ihr eigenes „Kopfkino“ ab. Lang verschüttet geglaubte Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Qualität von Arbeit und den sogenannten endgültigen Dingen poppen auf; zugleich will der schnöde Lebensunterhalt erwirtschaftet sein. Zunächst (noch) ausgestattet mit finanziellen Rücklagen, jongliert die Autorin im Homeoffice mehr oder weniger erfolgreich im Day-Trading-Geschäft, um bald mit Aktienkäufen bei der vermeintlichen Börsen-Rakete Wirecard AG ab Juni 2020 satte 75.000 Euro in den Sand zu setzen. Der historische wie private Finanzskandal macht Erhard klar, „dass die Angst vor materiellem Verlust mich mein Leben lang blockiert und kleingehalten hatte.“ Zugleich erkennt sie aber die „große Chance“, „mich und mein Leben zu ändern.“
Herausgekommen ist wenige Monate später ihre unterhaltsame Lebensabschnitts-Autobiographie, die mit ihrem hintersinnigen Titel keineswegs larmoyant herüberkommt, sondern den Leser*innen in diesen aufgeregten Zeiten Mut machen will, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen, in dem Spiritualität und ein ausgewogener Gefühlshaushalt wesentliche Triebfedern sind. „Ich habe daraus gelernt und lege mein Geld inzwischen sicher an: Ich investiere es in meine Seele“, heißt es gegen Ende von Erhards sympathischer Innenschau und augenzwinkernder Schreibtherapie, die neben Anekdoten aus der eigenen Vita mit vielen Infos zu psychologischen und religiösen Querverbindungen aufwartet.
Vom Leben wachgerüttelt: Bewusster leben dank Intuition und Urvertrauen
An einem Samstag Nachmittag saßen wir bei den Nachbarn vor dem Haus. Plötzlich war ein donnerartiges Geräusch zu hören und der Boden bewegte sich fast gleichzeitig, so als ob laute Bassmusik gespielt würde. Einer der Anwesenden meinte es wäre Donner gewesen . Ein anderer sagte, es fühlte sich an wie ein Erdbeben. Ich habe noch nie ein Erdbeben erlebt und machte mir keine weiteren Gedanken. Ich hätte es allein vermutlich gar nicht wahrgenommen.
Später erfuhr ich aus den Nachrichten, dass es tatsächlich ein Erdbeben gewesen ist. Ein sehr schwaches mit einer Stärke von 1,9 auf der Richterskala und das Epizentrum war weniger als ein Kilometer von uns entfernt. Erdbeben unter einer Stärke von 2,0 nimmt man in der Regel gar nicht wahr. Solche Mikro-Erdbeben kommen täglich weltweit ungefähr 8000 Mal vor.
Sehr spannend fand ich meine Reaktion darauf. Ich war überhaupt nicht verängstigt oder besorgt. Ganz im Gegenteil, war ich dankbar, dass nichts passiert und mein Hund bei mir war. Der Gedanke, dass es jederzeit wieder passieren könnte und dann vielleicht stärker, kam mir gar nicht. Diese Gelassenheit ist letztendlich auf ein Vertrauen ins Leben und ins Universum zurückzuführen, das ich dem Ereignis zu verdanken habe, mit dem ich konfrontiert wurde. Das Rütteln an diesem Samstag hat mich an mein Urvertrauen erinnert, wach war ich schon.
Es bedurfte also eines Ereignisses anderer Art um aufzuwachen!
Darüber berichte ich ausführlich in meinem Buch „Rote Wirecard vom Universum – wie ich für 75.000 EUR mein Bewusstsein erweiterte.“ In meinem neuen Leben wurde ich durch einen finanziellen Verlust wachgerüttelt. Obwohl ich bereits augebrochen und „aufgewacht“ war, hat erst diesers Ereignis alles in meinem Leben verändert. Ich glaube, das Leben rüttelt täglich mehr oder weniger stark an uns. Aber meistens kriegen wir es gar nicht mit, sondern schlafen weiter. Und dennoch, bin ich überzeugt, dass unsere einzige Mission hier auf Erden ist aufzuwachen und Stück für Stück Bewusstsein zu erlangen.
Hier liest du einen Artikel der Autorin über die vertrauensvolle Verbindung zu Tieren und Tierkommunikation.
Fotos: Isaac Quesada, Daiga Ellaby, Sam Manns / Unsplash
Über Andrea Erhard
Andrea Erhard, geboren 1982, wuchs in Tiefenbach, einem kleinen schwäbischen, katholischen Dorf in Bayern mit drei Geschwistern auf. Sie lebt heute mit ihrem Freund und Hund in Mittelitalien.
Nach dem Studium und Auslandsaufenthalten in Spanien und Lateinamerika startete sie als Diplom-Kulturwirtin (Univ.) ihre Karriere in der Fernsehbranche in München. Zusätzlich widmete sie sich zunehmend ihrer Leidenschaft für Tiere und Menschen und bildete sich in Tierkommunikation und Hypnosetherapie fort.
Unter dem Titel self-made minimalist schreibt sie über Gemüseanbau, Permakultur, Selbstversorgung und Autarkie sowie über Philosophie, Psychologie, Spiritualität und Persönlichkeitsentwicklung.
Fotografin: Irmgard Brand